Liebe Leser,
Paukenschlag in Magdeburg: Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat im Koalitionsstreit um die Erhöhung der Rundfunkgebühr kurz vor Redaktionsschluss dieses Heftes Innenminister Holger Stahlknecht, der zugleich Landesvorsitzender der CDU ist, entlassen.
Nein, es geht beileibe nicht um 86 Cent, um die die Rundfunkgebühr ab 1. Januar 2021 in Deutschland erhöht werden soll, wenn alle Landtage zustimmen. Ob das Magdeburger Parlament einwilligt, entscheidet sich am 15. Dezember. Dem Vernehmen nach sieht es danach aus, als ob aus Sachsen-Anhalt mit einer Ablehnung, einer Verschiebung der Abstimmung oder gar mit der Forderung, den Vertrag völlig neu zu verhandeln, zu rechnen ist.
In der ersten Kenia-Koalition, die es in Deutschland seit 2016 gibt, knirscht es immer wieder. Der Streit um die Erhöhung der Rundfunkgebühren hat sich zwischen den Christdemokraten, den roten SPDlern und den Grünen nicht nur zu einem handfesten Krach hochgeschauckelt, der die Koalition vor eine noch nie dagewesene Zerreißprobe stellt, sondern SPD und Grüne haben in politischem Größenwahn eine 2016 getroffene Koalitionsabsprache gebrochen, die besagt, dass sich die Parteien bei unterschiedlicher Meinung in Abstimmungen enthalten. Das gilt für alle Entscheidungen, sowohl im Bundesrat als auch im Landtag. Entgegen diesem Grundsatz haben sich SPD und Grüne jeweils entschlossen, der Gebührenerhöhung zuzustimmen; die CDU-Fraktion lehnt sie grundweg ab. Das Prekäre ist, dass die im Landtag vertretene Alternative für Deutschland auch gegen eine Gebührenerhöhung ist – und nun bis in die Spitzen der deutschen Politik hinein befürchtet wird, die CDU würde sich mit der AfD verbünden, wenn es zu einer gemeinsamen Ablehnung des Rundfunkstaatsvertrages kommt.
Was nicht überall schon in anderen Zeitungen, vor allem im Westen unseres Vaterlandes, über das Sachsen-Anhalt-Schema publizistisch verbreitet wurde. Sogar die Erinnerung an die Thüringen-Wahl zu Beginn dieses Jahres ist aus der Mottenkiste gezogen worden, als CDU, AfD und FDP Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählten. Im Kern fanden die westlichen Schreiberlinge mit dem Koalitionskrach in Sachsen-Anhalt mal wieder ein politisches Thema, um der ostdeutschen CDU zu unterstellen, mit den Feinden der Demokratie gemeinsame Sache zu machen.
Das klingt sehr billig, zumal sich die Spitzen der SPD und der Grünen in Berlin mit fadenscheinigen Argumenten in die Debatte eingeschaltet haben. Gehen wir doch mal an den Anfang der AfD. Da muss der damalige Bundesinnenminister 2013 wohl geschlafen haben, eine Partei nicht sofort zu verbieten, die sich offen im Namen alternativ zum deutschen Staat erklärt. Überall auf der Welt ist das so: Wer öffentlich seinen Staat in Abrede stellt oder ihn sogar beseitigen will, wird hart bestraft. In Deutschland ist das offenbar anders. Wenn sich Verfassungsgegner und rechtes Millieu alternativ zum deutschen Staatswesen zusammentun, stehen denen sogar sämtliche Türen in das höchste deutsche Parlament und den Landtagen offen. Von den AfD-Kleingeistern im politischen Kellergeschoss rede ich erst gar nicht.
Nun, 2020 ist es in der Tat so, dass sich diese rechte Partei bundesweit so etabliert hat, dass sie parlamentarisch betrachtet, nicht mehr zu übersehen und zu überhören ist. Dagegen können Grüne und SPD noch so laut wettern. Die AfD hat überall Sitz und Stimme. Die deutsche Politik hat den Neuling AfD auf- und angenommen, weil den Altparteien wahrlich selbst seit langer Zeit Alternativen fehlen, die mit Innovation und Zukunft für Deutschland verknüpft werden können. Und mit den Konsequenzen müssen wir (leider) leben. Ob das gefällt oder nicht.
Stahlknecht ließ in einem Zeitungsinterview die Katze aus dem Sack. Er will um alles in der Welt regieren und sympathisiert dazu offen mit der AfD, nicht nur gemeinsam abzustimmen, sondern nach der Landtagswahl 2021 wahrscheinlich auch eine gemeinsame Koalition von CDU und AfD bilden zu wollen. Haseloff musste so handeln, wie er handelte. In Magdeburg bleibt es hochspannend, welchen Weg die CDU nimmt.
Ein herzliches Glück auf!
André Wannewitz