Kontakt

mdw
Mitteldeutscher Wirtschaftsverlag GmbH
Vor dem Viehtor 22
39576 Stendal

Telefon: 03931 / 21 06 22
Fax: 03931 / 21 06 44
e-Mail: info@verlag-mdw.de

Liebe Leser,

André Wannewitz - Chefredakteur

Wolfgang Schäuble hat Hans-Georg Maaßen gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigt. Damit hat der Präsident des Deutschen Bundestages und langjähriger Parteifunktionär seine zweite Nachfolgerin im Amt der CDU-Bundesvorsitzenden deutlich in die Schranken gewiesen, die den früheren Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes kurzerhand aus der Partei werfen wollte.

Mit meinem DDR-Lebenslauf würde ich Kramp-Karrenbauer, wenn wir heute noch Sozialismus hätten, als willigen Treppenterrier einordnen, der noch viel zu lernen hat, um im Ernst des Lebens für voll genommen zu werden. Nun ist die Frau mit dem Bindestrich-Namen auch noch Bundesverteidigungsministerin geworden. Deswegen sage ich deutlich: Schon ihre ersten Wochen führten mir klar vor Augen, AKK ist auch diesem Amt keineswegs gewachsen.

Man muss sich das mal vorstellen: Aus Polen hagelt es jetzt scharfe Kritik an Deutschland. Gleich zweimal innerhalb kürzester Zeit erhob die polnische Regierung schwerste Vorwürfe gegen ihren westlichen Nachbarn. Erstens: Kurz vor dem 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 hat die polnische Regierung die Forderung an Deutschland nach Reparationen bekräftigt. In Warschau wird Zeitungsberichten zufolge über eine Studie gesprochen, die die nicht ausgeglichenen Schäden mit über 800 Milliarden Euro beziffert. Zweitens: Polen kritisiert Deutschlands Militärausgaben als zu niedrig und spricht sich gleichzeitig für die Stationierung zusätzlicher US-Soldaten im eigenen Land aus.

Das klingt nach Abrechnung mit Deutschland. Der 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges, das sollte sich der polnische Ministerpräsident ins Stammbuch schreiben, ist aber weder das geeignete Datum, über diese Themen in Überheblichkeitsmanier den Finger zu heben, noch sollte sich Polen heute damit brüsten, dass die vor 30 Jahren eingerissene Mauer zwischen West und Ost jetzt an der Nahtstelle des Westens zu Russland steht. Beides, sowohl Wiedergutmachungsforderungen Polens gegenüber Deutschland als auch polnische Forderungen nach höheren deutschen Militärausgaben, sind höchstens dazu geeignet, das politisch-moralische Klima in Europa zu vergiften. Auch wenn die Nato bereits 2014 beschlossen hat, dass sich jeder Mitgliedstaat bis 2024 dem Ziel annähern soll, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, ist das eine von ihr definierte Richtgröße, die jedoch von keinem Mitglied eingeklagt werden kann. Im Übrigen tut Deutschland gut daran, in Fragen der Verteidigungsanstrengungen Behutsamkeit zu üben.

Im Juni, wenige Wochen vor ihrem Amtsantritt als Bundesverteidigungsministerin betonte Kramp-Karrenbauer als Bundesvorsitzende der CDU-Deutschlands, ihr sei das Zwei-Prozent-Ziel wichtig, weil es ein Signal an die östlichen Nato-Staaten sei, die sich von Russland bedroht fühlten.
Ist das vermeintliche Bedrohungsszenario nicht eher ein Weltbild, das sich in den letzten 30 Jahren im Westen ausbildete? Warum sollten sich Lettland, Estland und Litauen von Russland bedroht fühlen? Waren das doch einstmals Staaten, die innerhalb der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, zu denen auch Russland gehörte, die Kernländer des Sozialismus ausmachten. Genau das Gegenteil ist richtig: Die Nato selbst setzt Russland mit ihrem Vorrücken bis an dessen Grenzen unter Druck.

Was Wiedergutmachungsforderungen angeht, so ist die Frage der Reparationen aus deutscher Sicht juristisch abgeschlossen: Sie wurde in mehreren Verträgen geregelt. Im Potsdamer Abkommen, im Görlitzer Vertrag von 1950 und nicht zuletzt für beide Seiten endgültig im Zwei-plus-vier-Vertrag zur Einheit Deutschlands.
Last but not least: Polen hat zudem einen materiellen Ausgleich durch die Westverschiebung seiner Grenzen erhalten. Die Gebiete in Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Nieder- und Oberschlesien, die zu Polen kamen, waren ökonomisch besser entwickelt als die Ostgebiete, die Polen an die Sowjetunion verlor.

Ein herzliches Glück auf!

(editorial mdw-Ausgabe August/September 2019)

 


Top