Kontakt

mdw
Mitteldeutscher Wirtschaftsverlag GmbH
Vor dem Viehtor 22
39576 Stendal

Telefon: 03931 / 21 06 22
Fax: 03931 / 21 06 44
e-Mail: info@verlag-mdw.de

Für eine Nacht Schlossherr auf Hubertusstock

Fotos. mdw/Wannewitz

30 Jahre nach dem Rücktritt Erich Honeckers besuchte mdw-Chef André Wannewitz die historische Jagdresidenz in der Schorfheide

Bundeskanzler Helmut Schmidt war ein Freund der Schorfheide. Er soll, wie Insider berichten, bis ins hohe Alter mindestens einmal jährlich an den Döllnsee gekommen sein und auch immer wieder das Areal des Jagdschlosses Hubertusstock besucht haben. Es scheint, als habe der Besuch Schmidts im Dezember 1981 beim Partei- und Staatsoberhaupt der DDR, Erich Honecker, in der Schorfheide tiefe Spuren hinterlassen, vor allem eine Begeisterung vom fast geschlossenen Wald im Norden des Landes Brandenburg hervorgerufen, der über Jahrhunderte hinweg Jagdgebiet war, unter anderem für preußische Könige und deutsche Staatsoberhäupter.

Mit dem Ende der Honecker-Ära vor nunmehr 30 Jahren war Schluss mit den Jagen, erzählt Fabian Noetzel, Hotelmanager im Ringhotel Schorfheide, dem Tagungszentrum der Wirtschaft, das sich seit dem 1. Januar 2015 auf dem großen Areal des früheren Jagdschlosses Hubertusstock etabliert hat. Der Verband der Metall- und Elektroenergie Berlin-Brandenburg kaufte das Objekt vor viereinhalb Jahren und stößt mit seinem Hotel- und Tagungsangbot seitdem deutschlandweit und auch im Ausland auf riesiges Interesse. Das Jagdschloss selbst ist dabei nur ein Teil des Beherbergungsbetriebes, und davon auch ein ganz besonderer: Heiratswillige können sich hier sogar standesamtlich trauen lassen. Kern des Tourismus- und Tagungsgeschäfts im Ringhotel Schorfheide ist ein 1998 auf dem Areal Hubertusstock vom Berufsbildungswerk der Wirtschaft errichtetes Hotel.
Die Betriebsamkeit, wie sie heute hier herrscht, kannte man nicht immer. Nach Honeckers Rücktritt von allen Ämtern am 18. Oktober 1989 ließ er sich am 8. November 1989 ein letztes Mal zur Jagd in die Schorfheide fahren. Damit endete praktisch nicht nur die Nutzung des Jagdschlosses Hubertusstock als Gästehaus der Regierung der DDR mit besonderer Ausrichtung auf die persönlichen Gäste des einstigen Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR. Sondern gleichzeitig wurde das Staatsjagen in der Schorfheide insgesamt aufgegeben. Seit 1990 ist sie teilweise in das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin einbezogen.

„Zwischen 1990 und 1993 hat hier in Hubertusstock gar nichts stattgefunden“, sagt Fabian Noetzel. Drei Jahre nach der Wende pachteten die Savoy-Hotelbetriebe Teile des Areals Hubertusstock und betrieben bis 2014 auch das Jagdschloss. „Die haben am Schloss aber weder Instandsetzungsmaßnahmen getroffen, noch etwas neu gemacht“, sagt Noetzel. Als der Verband der Metall und Elektroenergie das Areal Hubertusstock übernommen habe, war mit einer Bauruine auch ein riesiger Schandfleck dabei. „In dem Gebäude, das die Savoi-Gruppe 2005 baute, sollte mal ein schöner Wellnessbereich entstehen. Daraus wurde aber nichts. Nachdem wir das Objekt übernommen haben, konnten wir das Gebäude entfernen lassen und für unsere Gäste einen großen Parkplatz bauen“, berichtet Noetzel. Heute lebt das Hotel von vielen Tagungsgästen aus dem In- und Ausland und natürlich auch von Touristen, die an einer Tagung oder einem Kurzurlaub im Grünen interessiert sind. „Beim Tagungstourismus, der heute 80 Prozent unseres Umsatzes ausmacht, ist der Interessentenkreis riesig. Er reicht von großen Finanzdienstleistern über Autofirmen bis hin zur Humboldt-Universität, die ein- bis zweimal pro Jahr für eine Woche vor Ort ist“, sagt Noetzel. Auch kämen viele Übernachtungsgäste aus dem Ausland in das historische Ambiente am Werbellinsee.

Seit einigen Jahren hat das Hotel Schorfheide nun seine Angebote wesentlich erweitert. „Wir haben angefangen, das Hotel für Feiern und Hochzeiten zu öffnen. Mit dem Jagdschloss selbst besteht seit 2015 zusätzlich eine besonders attraktive Location dafür.“ Fabian Noetzel ist sichtlich stolz, als er das mdw-Magazin durch die Räumlichkeiten des Jagdschlosses führte. Und dabei durfte ich sogar für eine Nacht sozusagen als Schlossherr ganz alleine im Gebäude residieren – in den privaten Gemächern der Honeckers wohnen. Klar, dass ich hoch interessiert war, was sich zur DDR-Zeit hier hinter den Kulissen abspielte oder persönlich heute noch in Augenschein nehmen konnte, wie beengt Erich Honecker in seinem 40 Quadratmeter großen Wohnbereich im ersten Stock lebte, wenn er sich in Hubertusstock aufhielt. Dass sich direkt nebenan im Kaminzimmer viele frühere westdeutsche Politiker und Wirtschaftsfunktionäre die Klinke in die Hand gaben und Honecker und Strauß am 24. Juli 1983 auch den Milliardenkredit der Bundesrepublik für die DDR aushandelten, ist für mich lebendige Geschichte zum Anfassen, auch wenn es mir auch erst Jahrzehnte später vergönnt ist, hier den Ursprung des deutsch-deutschen Austausches atmen zu können. Ob Herbert Wehner, Egon Bahr, Otto Graf Lambsdorff, Oskar Lafontaine, Hans-Jochen Vogel oder Krupp-Chef Berthold Beitz, sie alle wurden als persönliche Gäste Erich Honeckers auf Schloss Hubertusstock empfangen und genossen seine Gastfreundschaft.

Mein persönliches 24-Stunden-Domizil im Jagdschloss waren nicht die Privaträume Erich Honeckers, sondern ich checkte ein in die über 100 Quadratmeter große Suite, die seine Ehefrau, DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker, nutzte – und schlief wahrscheinlich nicht in ihrem Bett, aber in ihrem Schlafzimmer. Wie ich hörte, residierten hier auch ausländische Staatsoberhäupter wie Leonid Breshnew und Fidel Castro. Mein Fazit: Das Ringhotel Schorfheide hat diese Suite inzwischen zwar aufwendig saniert und renoviert, aber dennoch spricht allein die Größe der beiden „Wohnungen“ des Ehepaares Honecker für sich. Und wer dann noch wie ich die Erinnerungen des Honecker-Enkels Roberto gelesen hat, die vor wenigen Monaten als Buch erschienen, kann erahnen,  wer privat im Hause Honecker das Sagen hatte. Dass die gesamte Familie Honecker, einschließlich Erichs Schwester Gertrud, die aus dem Saarland anreiste, und seine chilenische Verwandtschaft Jahr für Jahr die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr auf Hubertusstock gemeinsam verbrachte, war für Roberto nachhaltig. Hier seine Weihnachtsgeschenke zu bekommen und mit einem von den Sicherheitsleuten Honeckers aufgebautem Feuerwerk jedes neue Jahr zu begrüßen, wird er aus seinen Kindheitserinnerungen nicht streichen.

Das Schloss Hubertusstock ist noch heute ein einzigartiger Beleg für die Staatsjagden, die hier regelmäßig staatfanden und zu denen Jagdfreund Honecker auch viele ausländische Politiker einlud. „Hinter Hubertusstock gab es das eingezäunte Jagdgebiet. Unten am früheren Eingangstor beginnt ein großer Eichenwald. Da stehen einige der ältesten Eichen Deutschlands. Noch heute existiert da ein Hochstand, auf dem Honecker sehr gerne angelegt hat. Und auch seine Staatsgäste, die er hatte. Die waren alle zusammen auf der Jagd und haben die schönsten Trophäen geschossen. Und nach dem Jagen haben sie die Tropäen hier präsentiert und anschließend im Jagdkeller kräftig gefeiert“, erzählt Fabian Noetzel und zeigt mir dabei ein Meisterstück Erich Mielkes aus dem Jahr 1979.

Das Jagdschloss Hubertusstock kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Es wurde im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. zu Ehren seiner Frau Elisabeth, eine Tochter Maximilians I. von Bayern, im Stile eines bayerischen Landhauses errichet. Es war ein schlichtes zweigeschossiges Gebäude mit umlaufender Holzgalerie und weit überstehendem Satteldach. Den einzigen Schmuck bildeten außen zahlreiche Hirschgeweihe. Mit dem Regierungsantritt Wilhelm I. entwickelte sich die bescheidene Anlage zu einem Zentrum prunkvoller höfischer Jagden und einem Ort politischer Gespräche und Verhandlungen. 1945 wurde das Jagdschloss Eigentum der brandenburgischen Landesregierung und diente dem Ministerpräsidenten als Landsitz. Zu DDR-Zeiten war Hubertusstock zunächst ein Erholungsheim für leitende Angestellte der Kasanierten Volkspolizei und später der Nationalen Volksarmee. In dieser Zeit wurde das Schloss auch von Verteidigungsminister Willi Stoph genutzt. In den Jahren 1971 bis 1973, also nach der Machtübernahme durch Erich Honecker, wurde das renovierungsbedürftige Jagdhaus bis auf die Grundmauern abgerissen und danach mit Anpassung an den alten Baustil wieder aufgebaut. Zusätzlich entstanden auf dem Gelände vier zweigeschossige Gästebungalows sowie ein Mehrzweckgebäude mit Schwimmbad, Sauna, Kinosaal, Billardraum und Schießstand. Mir bleibt, Hotelmanger Fabian Noetzel für die hilfreiche Unterstützung zu danken.

(erschienen in der mdw-Ausgabe August/September 2019)


Top