Dialog in Zeiten von Spannungen weiter ausbauen
mdw: Herr Ministerpräsident, zum 11. Mal tagte gerade die Deutsch-Russische Rohstoffkonferenz. Diesmal in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam. Als Regierungschef des Landes Brandenburg hatten Sie dafür die Schirmherrschaft übernommen. Haben sich Ihre Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche erfüllt?
Dietmar Woidke: Ein klares Ja, was die Hoffnungen und Wünsche betreffen. Vor allem, weil es gelungen ist, diesen partnerschaftlichen Dialog, der ja die Gründungsidee des Deutsch-Russischen Wirtschaftsforums ist, weiter fortzusetzen. Es ist mittlerweile eine Plattform in der langfristigen strategischen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die hochrangige Teilnahme, beispielsweise von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, des stellvertretenden Ministerpräsidenten der Russischen Föderation, Herrn Alexej Gordejew, der Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an der diesjährigen Konferenz unterstreicht die Bedeutung, die diese partnerschaftliche Zusammenarbeit hat und dass ihr auch von der politischen Seite große Bedeutung beigemessen wird.
Es ist wichtig, gerade in Zeiten von Spannungen den Dialog auf allen Ebenen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern möglichst weiter auszubauen. Deswegen unterstützen wir auch den Aufbau wirtschaftlicher Kontakte zwischen deutschen und russischen Unternehmen zum beiderseitigen Vorteil.
mdw: Die Rohstoff-Konferenz ist mittlerweile zum wichtigsten wirtschaftlichen Dialogforum zwischen Russland und Deutschland und eine Plattform für den Austausch von Kooperationen und wissenschaftlicher Fachkräfte geworden. Welche Beispiele bringt Ihr Bundesland Brandenburg hier ein?
Dietmar Woidke: Es gab in diesem Jahr eine partielle Neuausrichtung der Konferenz. Eine Neuausrichtung auch auf die Fragen der Rekultivierung und von Rohstoffregionen im Wandel. Das sind natürlich zwei Themen, die Brandenburg intensiv beschäftigen, auch unabhängig von dieser Konferenz. Das sind Themen, die wir auch in Zukunft im internationalen Kontext behandeln müssen. Aber wo wir auch heute schon großes Know-how haben. Ich habe in der internen Sitzung angesprochen, dass wir gerade mit dem Know-how im Bereich der Rekultivierung und Sanierung natürlich auch andere Regionen unterstützen können, dass wir technologische Lösungen liefern können. Und das ist auf sehr großes Interesse gestoßen. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Erfahrungen und Kompetenzen auch in Zukunft ein gutes und wichtiges Standbein der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung gerade auch in der Lausitz sein können, wenn sie international vermarktet werden.
mdw: Am Deutschland-Geschäft mit Russland haben wir seit Jahren zu knappern. Trotz einiger Verbesserungen leben wir immer noch in einer bilateralen Embargo-Zeit, die vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen verlustreich ist. Welche politischen Entwicklungen und Weichenstellungen müssen aus Ihrer Sicht erfüllt sein, damit die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland wieder zur Normalität zurückkehren?
Dietmar Woidke: Hier gibt schon die Rohstoffkonferenz selber die beste Antwort. Was wir brauchen, ist Langfristigkeit und Vertrauen auf allen Ebenen. Wir brauchen diese Langfristigkeit und das Vertrauen in der internationalen Politik. Wir brauchen es in der Wirtschaft. Wir brauchen es aber auch bei Jugendkontakten und im Wissenschaftsaustausch. Wir können heute feststellen – das ist eine schöne Entwicklung –, dass sich die Waren- und Handelsbeziehungen seit 2017 wieder deutlich verbessert haben. Allerdings brauchen wir vor einer Rückkehr zur Normalität Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens für die Ukraine. Da stehen wir ganz klar zur europäischen Beschlusslage und zu den europäischen Sanktionen, die wieder ausgesprochen worden sind.
mdw: Auf eine langjährige Tradition der Zusammenarbeit mit Russland und der früheren Sowjetunion, die weit zurück in die DDR-Zeit reicht, blickt das Petrolchemische Kombinat Schwedt zurück. Die heutige PCK Raffinerie GmbH gehört zu den Top-Unternehmen in Brandenburg und ist das bedeutendste Unternehmen in der Uckermark. Wie und mit welchen Projekten unterstützt Ihre Landesregierung die wirtschaftliche Entwicklung solcher Leuchtturmregionen, die ja maßgeblich auch von der Existenz der Großunternehmen leben?
Dietmar Woidke: Das PCK ist der wichtigste und größte Wirtschafts- und Industriebetrieb in der Uckermark. Ich habe zuletzt im Januar 2018 mit Vertretern des PCK und auch mit Vertretern des Hauptanteileigners Rosneft in Moskau Gespräche zur Zukunft des Standortes geführt. Es freut mich, dass Rosneft weiter intensiv in den Standort Schwedt investieren will. Wir haben daraufhin in der Staatskanzlei eine Stelle eingerichtet, die diese Investitionen, die vielen Fragen zum Beispiel zu Genehmigungen oder Förderfragen koordiniert und als Ansprechpartner zur Verfügung steht und diese Investitionen begleitet.
mdw: Kommen wir zum derzeit bedeutendsten Thema in der deutschen Innenpolitik: der Ausstieg aus der Braunkohle. Die größte Kohle- und Energieregion Lausitz ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Standort im Brandenburgischen. Die Lausitz und die hier wohnenden Menschen leben vom Kohleabbau. Wie lange, glauben Sie, wird hier noch Kohle gefördert? Wie kann die gewünschte Energiewende mit Klimaschutz und Arbeitsplätzen vereinbart werden?
Dietmar Woidke: Das ist ein riesengroßer Komplex. Wir haben an dieser Stelle sicher nicht die Möglichkeit, über die ganzen einzelnen Facetten dieser Fragen zu reden. Grundsätzlich zwei Dinge: Erstens, die derzeitigen Planungen, die vorliegen, reichen für Brandenburg und Sachsen bis in die 40er Jahre hinein. Eines ist klar: Wir brauchen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Braunkohle, um eine sichere und zuverlässige Energieversorgung in Deutschland zu haben. Denn das ist die Grundlage. Es geht nicht nur darum, dass jemand ein Kraftwerk oder einen Tagebau betreibt, sondern es geht hier wirklich um die Grundlage der deutschen Wirtschaft, nämlich eine sichere, stabile, zuverlässige und preisgünstige Energieversorgung. Genau darum können wir vorerst nicht auf die Braunkohle verzichten.
Allerdings sind wir auf dem Weg in einen schrittweisen Ausstieg. Und er läuft ja, wenn man mal ehrlich ist, seit Beginn der 90er Jahre. Die Braunkohle ist wie jeder Rohstoff endlich. Das heißt, wir müssen uns heute schon vorbereiten auf die Zeit danach. Ich bin auch zuversichtlich, dass diese Fragen in der Kommission zu Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung intensiv diskutiert und dann in den Abschlussbericht aufgenommen werden. Denn es geht wirklich darum, Wirtschaftswachstum mit Klimaschutz in Übereinstimmung zu bringen. Dass der Verlust von Arbeitsplätzen zu CO2-Einsparungen führt, ist ja keine Kunst. Was wir beweisen müssen, was übrigens im europäischen Kontext ist, dass wir mit der Lausitz als Modellregion Wirtschaftswachstum, gut bezahlte Arbeitsplätze und Klimaschutz in eine Balance miteinander bringen. Wirtschaftswachstum muss vom Ausstoß klimaschädlicher Gase entkoppelt werden. Das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen. Die Kommission kann und wird – davon bin ich fest überzeugt – einen Beitrag leisten. Sie wird aber auch Vorschläge machen. Was wir brauchen, sind Sicherheit, für die Beschäftigten und die Region. Das heißt einen klaren schrittweisen Ausstiegspfad. Was wir brauchen, sind aber auch Antworten auf die Perspektiven für die Region. Da geht es um Infrastruktur, Wissenschafts- und Behördenansiedlungen und vieles mehr. Und auch da erwarte ich von der Kommission, dass sie klare Antworten gibt und der Deutsche Bundestag seiner Verantwortung gerecht wird und die Maßnahmen in einem Maßnahmengesetz beschließt. Also, ein Gesetz, das ähnlich wie das Bonn-Berlin-Gesetz vor ungefähr 25 Jahren, klare Maßnahmen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte beinhaltet, damit die Region weiter eine gute Entwicklung haben kann. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf die brandenburgische Lausitz sondern genauso auf das mitteldeutsche Revier Sachsen-Anhalt und auf das Revier an Rhein und Ruhr.
Das ausführliche Gespräch mit Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke, das mdw-Chefredakteur André Wannewitz führte, lesen Sie im mdw-Heft zum Jahreswechsel 2018/19.