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Liebe Leser,

mdw-Chefredakteur André Wannewitz

die Pressefreiheit in Deutschland, also das Recht von Rundfunk, Presse und anderen Medien auf freie Ausübung ihrer Tätigkeit, auch nur in die Nähe von Extremismus zu rücken, ist nicht nur ein Skandal, sondern eine unter Strafe stehende Missachtung des Artikels 5 des deutschen Grundgesetzes. Wenn ein ganzer Kreisparteitag der Christlich Demokratischen Union in Stendal einer entsprechenden Formulierung des stellvertretenden Kreisvorsitzenden Nico Schulz zustimmt, der auch noch Bürgermeister der Stadt Osterburg und Mitglied im CDU-Landesvorstand Sachsen-Anhalt ist, die deutschen Medien von diesem Mann als politischer Gegner der CDU ausgemacht und Journalisten zusätzlich durch sein Zitieren eines Gutzkow-Ausspruches mit „Totengräber der Zeit“ gleichgesetzt werden, sind damit ganz offensichtlich Recht und Demokratie gebrochen worden.

Dass es der soeben wiedergewählte Kreisvorsitzende Wolfgang Kühnel, der dieses Amt bereits seit 27 Jahren bekleidet, nach Informationen mehrerer Medien, die über den Parteitag berichteten, vermied, seinem Stellvertreter zu widersprechen und auch die CDU-Basis selbst nicht intervenierte, verlangt in meinen Augen ein unverzügliches juristisches Eingreifen des Bundesverfassungsgerichtes und der CDU-Parteivorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel: Gegen Schulz ein Parteiverfahren zu eröffnen und ihn umgehend seiner parteilichen und staatlichen Ämter zu entheben.

Die Christdemokraten in Stendal haben einen dramatischen Sommer hinter sich. Marc Rath, leitender Redakteur der Volksstimme, der 2015 mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet wurde, deckte durch akribische Kleinarbeit massive Wahlfälschungen bei den Kommunalwahlen 2014 zum Stendaler Stadtparlament auf. Im Fokus steht der frühere CDU-Stadtrat Holger Gebhardt, dem die Staatsanwaltschaft inzwischen vorwürft, vor zwei Jahren 960 Briefwahlstimmen gefälscht zu haben. In der CDU sprach man von der „Tat eines Einzelnen". Doch die Staatsanwaltschaft, die jetzt Anklage erhob, erkannte in ihren Ermittlungen und Zeugenvernehmungen Helfer und Helfershelfer, darunter den CDU-Kreisvorsitzenden Wolfgang Kühnel und Stendals CDU-Stadtverbandchef Hardy Güssau, dem die Stendaler Wahlaffäre inzwischen schon das Amt des Landtagspräsidenten von Sachsen-Anhalt kostete, in das er erst im April dieses Jahres gewählt wurde. Bewertet man die neuesten Enthüllungen der Volksstimme aus diesen Tagen, komme ich aus meiner Sicht sogar zur Überzeugung, dass Güssau zur unmoralischen Elite des Wahlskandals gehört, der an den Strippen zog – und für den Gebhardt ein langjähriger Laufbursche war. Volksstimme-Redakteur Rath bestätigte inzwischen meine Mutmaßung als „tendenziell richtig", schränkte jedoch ein, dass Güssau „die Dimension erst zu spät klar geworden ist".

Während die Stendaler CDU auf die Medien eindrescht, um damit von ihrer originären Verantwortung im Wahlskandal abzulenken, vernehme ich aus dem Landesverband fast nur Schweigen. Zwar forderte Landeschef Thomas Webel den Ortsverband Stendal im Sommer auf, die Aufklärung der Wahlaffäre zu unterstützen. Doch dabei blieb es. Die CDU-Spitze vermeidet jede öffentliche Bewertung des Skandals, noch fordert sie irgendwelche personellen Konsequenzen in der Stendaler Lokal-CDU oder treibt aktiv eine politische Erneuerung voran. Noch nicht einmal auf der kürzlichen internen CDU-Regionalkonferenz Altmark durfte über die Wahlfälschungen gesprochen werden. Nun, Wolfgang Kühnel ist in Sachsen-Anhalt der am längsten amtierende CDU-Kreisvorsitzende. Er kennt alle Höhen und Tiefen der CDU seit 1990, auch die Skandale, in die Thomas Webel bereits verwickelt war. Gerade deswegen vermied es der frühere Ministerpräsident Wolfgang Böhmer lange Jahre ja, Webel zum Minister zu ernennen. Erst unter Regierungschef Reiner Haseloff konnte Webel 2011 zum Landesminister für Bau und Verkehr aufsteigen. Auch Webel wiederum weiß viel über Haseloff. Und so ist es in Sachsen-Anhalt gekommen, dass eine Krähe der anderen kein Auge auskratzt. Und alle in ihren steuerfinanzierten Ämtern bleiben können, bis sie der Tod scheidet.

 

Ein herzliches Glück auf!

André Wannewitz


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