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Wie viel Ehrlichkeit steckt in dieser CDU

Im Jahr 2007 empfing Verleger und Chefredakteur André Wannewitz (2.v.r.) die damalige Führungsspitze der CDU des Kreises Stendal zu einem Meinungsaustausch in der mdw-Redaktionszentrale in Stendal (ganz rechts Wolfgang Kühnel).

Eine politische Betrachtung von mdw-Chefredakteur André Wannewitz

Meine Titelzeile hätte auch durchaus lauten können: „Wie viel kriminelles Denken und Handeln steckt in dieser CDU?" Nun, ich will nicht so rabiat sein, alle CDU-Funktionäre im Landesverband Sachsen-Anhalt über einen Kamm zu scheren. Das wäre auch gar nicht gerecht.

Aber, richtig ist: In dieser Landes-CDU, im Kreisverband Stendal, ermittelt zur Zeit die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Wahlfälschung. Und der gerade wiedergewählte Landesvorsitzende, Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel, steht mit Ungereimtheiten bei der Vergabe von EU-Fördermitteln beim Bau einer Sporthalle im Bördekreis in Beziehungsverdacht, in dem er mehr als 20 Jahre Landrat war. Zudem ist die Fördermittelaffäre in Dessau-Roßlau, in der auch der Name des sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) als früherer Landeswirtschaftsminister die Runde macht, größer als bislang angenommen. Die Staatsanwaltschaft Halle/Saale geht nach eigenen Angaben inzwischen von einem Schaden von acht Millionen Euro aus. Bislang hatte sie mit 4,5 Millionen Euro gerechnet. Einer Sprecherin zufolge wird gegen 160 Beschuldigte ermittelt.

Findet in Teilen der Sachsen-Anhalt-Partei, wie sich die CDU hier selbst nennt, eine Politik statt, die seit Jahren von einigen Leuten da oben in Hinterzimmern ausgeklügelt und zum eigenen Nutzen durchgesetzt wird, während die breite Mitgliedschaft allerhöchstens zu Parteitagen oder Wahlkreisversammlungen eingeladen wird und dabei als „Stimmvieh" herhalten muss?

Nehmen wir Wolfgang Kühnel, seit nunmehr 25 Jahren Kreisvorsitzender der CDU in Stendal, dienstältester CDU-Kreisparteichef in ganz Sachsen-Anhalt – gerade eben wiedergewählt für weitere zwei Jahre. Ich habe ihn vor Jahren kennengelernt als politisch skrupellosen, als menschlich unehrlichen und auf seinen Vorteil bedachten Menschen. So wirkt er in meinen Augen bis heute fort. Gegen den Willen Kühnels darf in der Kreis-Partei keiner für den Deutschen Bundestag kandidieren. Wer‘s trotzdem will, wird von Kühnel massiv ausgebremst. Warum? Kühnel ist seit Jahren hauptberuflich der Stallwächter des örtlichen CDU-Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis Altmark. Und diesen Posten möchte er ganz eigennützig natürlich nicht gegen seinen Parteifeind verlieren. Einen Gegenkandidaten für ihn als Kreisparteichef wusste er beim Kreisparteitag im Januar 2003 zum Beispiel damit auszuschalten, als dass er am Nachmittag des Heiligabends 2002 bei Parteifreunden anrief und verlangte, bei der anstehenden Wahl nur für ihn zu stimmen.

Nun, das ist schon lange Geschichte. Gegenwart ist, dass die Staatsanwaltschaft Stendal erst kürzlich die Diensträume der Kreisgeschäftsstelle der CDU in Stendal und die Wohnung Kühnels im Ortsteil Nahrstedt durchsuchte. Bei den Ermittlungen wegen möglicher Wahlmanipulation zur Stadtratswahl 2014 in Stendal fällt der Verdacht auch auf die CDU, heißt es aus Justizkreisen. Kühnel versicherte indes, er habe keine Unterlagen gefälscht und werde alles tun, um zur Aufklärung beizutragen. Was war geschehen? Der inzwischen zurückgetretene CDU-Stadtrat Holger Gebhardt (41) war am 25. Mai in den Stadtrat gewählt worden und hatte mit einem überdurchschnittlichen Briefwahlergebnis den Verdacht auf Wahlmanipulation aufkommen lassen. Der Grund: Der Abgeordnete hatte 837 Stimmen, darunter mit 689 überdurchschnittlich viele allein aus der Briefwahl. Daraufhin war in der Stadtwahlleitung Stendal eine Panne entdeckt worden, wonach 180 Stimmzettel für die Briefwahl unrechtmäßig an lediglich zwölf bevollmächtigte Personen herausgegeben worden waren, darunter auch an Wolfgang Kühnel.

Gebhardt ist mittlerweile aus der CDU ausgetreten, verlor darüber hinaus, Stendaler CDU-Kreisen zufolge, seine Arbeit beim Jobcenter und einen Lehrgang, der ihn ab nächstes Jahr zu einer Führungskraft in der Stadtverwaltung hätte werden lassen sollen.

Die Briefwahl ist am 9. November wiederholt worden. 2 000 Wähler durften noch einmal wählen. Sie ist inzwischen aber für ungültig erklärt worden, weil erneut Betrugsvorwürfe aufkamen. Nun wird in Stendal komplett neu gewählt. Die Bürger werden dazu wahrscheinlich im Mai 2015 an die Wahlurne gerufen, kündigte der bisherige Wahlleiter, Axel Kleefeldt (CDU), an. Auch gegen ihn gibt es bei der Justiz mindestens eine Strafanzeige.

CDU-Landeschef und Verkehrsminister Webel hat sich inzwischen den energischen Zorn von Mitgliedern der Landespressekonferenz auf sich gezogen, weil er in einer Landtagsrede massive Medienschelte betrieb. Tenor auf den Landtagsfluren: „Das war politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod."


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