Liebe Leser,
Aber im Gegensatz zur Schule verdienen die heutigen 20 Prozent in der Politik die Zensur „Sehr gut“ und können sogar darüber entscheiden, ob die angestrebte Große Koalition aus CDU und SPD im 18. Deutschen Bundestag zustande kommt oder nicht. Wesentlichster Unterschied beider Vergleiche: In der Schule zählen die Intelligenz, in der Politik ausschließlich die Mehrheitsverhältnisse oder Quotenbeschlüsse.
Also vorweg: Ich bin für Bundestags-Neuwahlen, ohne Wenn und Aber, mit allen Konsequenzen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt!
Was die SPD als möglicher Juniorpartner da zurzeit praktiziert, halte ich für einen sehr bedenklich stimmenden politischen Schachzug. Fakt ist: Am 22. September hat das gesamte wahlberechtigte deutsche Volk als Souverän dieses Staates gesprochen und den nächsten Deutschen Bundestag bestimmt. Auch wenn das Wahlergebnis, trotz des haushohen Sieges der CDU, nicht allen passt, blieb und bleibt aus einzig vernünftiger und rechnerisch akzeptabler Sicht nur eine Große Koalition übrig, die unser Land in den nächsten vier Jahren führt. Mit den Grünen was zustande zu bringen, hat nicht geklappt, auch wenn die sich inzwischen bei der CDU wieder anbiedern. Ein mögliches Bündnis aus SPD, Grünen und Linken erteilten die Sozialdemokraten von vorherein selbst eine Absage.
Nun sind die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD beendet. Und am 17. Dezember soll Angela Merkel im Deutschen Bundestag erneut zur Kanzlerin gewählt werden – so sieht es jedenfalls der bisher vereinbarte Zeitplan des Deutschen Bundestages vor. Doch keiner weiß, ob das wirklich so kommt. Warum? Weil zu allem Überfluss der SPD-Vordere Gabriel will, dass zuvor eine Minderheit in Deutschland, nämlich rund 477 000 Mitglieder seiner Sozialdemokratischen Partei, basisdemokratisch ihr Votum abgeben sollen, ob sie diese Große Koalition überhaupt wollen oder nicht. Ignoriert Gabriel mit diesem Akt damit nicht den Wählerwillen vom 22. September?
Das Votum soll für die SPD bindend sein, wenn sich mindestens 20 Prozent der Parteimitglieder an der Abstimmung beteiligen. Kommt eine hohe Beteiligung zustande, ist die parteiinterne Aktion sicher demokratisch beispielgebend. Beteiligen sich etwa aus Politik-Verdrossenheit nur wenig mehr als 20 Prozent der Genossen an der Aktion, läuft sie ins Leere - egal ob für oder gegen die Große Koalition gestimmt wird. Ich glaube aber fest daran, die SPD rechnet sich das vorteilhaft hin. Schließlich wollen die Partei-Oberen gerne wieder in die Regierung.
Solch eine Koalitionsbildung hatten wir in Deutschland jedoch noch nie. Schon deshalb nicht, weil die SPD mitten in den Beratungen mit der CDU auf einem Parteitag in Leipzig die Linkspartei als Partner entdeckt hat, die sie vorher am liebsten auf dem Scheiterhaufen sah. Spätestens 2017 will die SPD mit denen in die Bundesregierung eintreten, wenn’s dafür eine Volksmehrheit gibt. Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Vertrauen sehen anders aus. Zwei Dinge, lieber Gabriel, darf ich Ihnen aber schon heute ins Stammbuch schreiben: Erstens, ich sehe nicht, dass Sie die Bundestagswahl 2017 noch in der Funktion des SPD-Vorsitzenden erleben. Zweitens, es ist doch kein Gesetz, dass unter Rot/Rot/Grün die SPD der Koch und die Linkspartei der Kellner ist. Auch der Umkehrschluss ist möglich. Und was macht die SPD dann, wenn die Linken, rechnerisch gesehen, den Bundeskanzler stellen könnten?
Ob aber die Große Koalition, wenn diese 2013 doch zustande kommt, in der Tat bis 2017 hält, steht völlig in Sternen. Ich meine, Deutschland steht im politischen Mengengefüge am Ende des Jahres 2013 vor einer ganz unsicheren Zukunft!
Ein herzliches Glück auf!
André Wannewitz